Walliser Herbst im August - Alphubel, Weissmies und andere Hügel


"Leichte Viertausender" sollten es werden, im Plural natürlich: Wenn schon "leicht", dann bügeln wir sie natürlich mindestens im halben Dutzend weg, das war ja wohl klar.

Unendliche Mail- und Forenthreads von Programm- und Terminvorschlägen sowie Ausrüstungslisten in Folge von Alex' Ausschreibung hielten die Vorfreude am Köcheln. Wir hatten - virtuell - so zirka über 200m Seil, jede Menge Eisschrauben, Klemmkeile ausreichend für die Watzmann-Ostwand, Zeltraum im Palazzoformat, einige Teilnehmer die Wahl zwischen Pickel und Eisgerät undsoweiter. Leider hatten sämtliche Listenbastler allzu spät erst gemerkt, dass auf der Liste der Helm fehlte, der denn auch tatsächlich in mindestens einem Fall "nachträglich" organisiert werden musste… Und der Programmvorschlag erzeugte bei einigen leichtes Bauchgrummeln, denn sooo leicht kamen uns Rimpfischhorn und Dom denn doch nicht vor.
Aber all sowas kann doch die SAN nicht erschüttern, oberste Trendsportart der Sektion ist schließlich - eisern! - die Flexibilität…
nicht mehr das Ausrüstungs-Spazierentragen? (Anm. der Webcheckerin)

30. Juli - Täschhütte (2701m)

Zunächst - Alex hatte beizeiten Reservierungserfolg auf der Täschhütte gemeldet, denn Alphubel über Feegletscher und mit Übernachtung auf der gräßlichen Längfluehütte muss wirklich nicht sein - war am Samstag erstmal die Marathonanreise von Franken, Lindau, München, Berchtesgaden ins Mattertal zu bewältigen. Selbstverständlich zeigte die Sektion mit Unterstützung des üblichen Sponsors sich auch dieser Trenddisziplin gewachsen. Nacheinander schlugen auf der Täschalp (Ottavan, 2214m, genug Parkplätze frei!!!) auf: Berni, Christine + Gisela; Dohle + Hawkeye; später auch Hasei + Lisanne. Alex war bereits auf der Täschhütte, Patricia wollte am nächsten Tag nachkommen. Oben an der Hütte angelangt konnten wir dann auch gleich ein Stückchen vom ersten Ziel (Alphubel) und "den Fisch" (Rimpfischhorn) im Abendlicht bewundern…

31. Juli - Eiskurs *ggg*

Aber vor das Gipfelglück mit der magischen Höhenmeterzahl haben die Berggötter die Akklimatisierung gesetzt, besonders wichtig als Ödemprophylaxe für frisch materialisierte Sektions-Phantome *duck*. Folglich ging es am Sonntag erstmal schön gemütlich und zu ziviler Zeit ans Spaltenbergen, denn man kann ja nie wissen. Also auf zum Weingartengletscher (ca. 3159m) unterm Täschhorn! Das Wetter - nach dem Regen der letzten Tage zunehmend herbstlich-klar - spielte auch ein bißchen mit: Über einem regelrechten "Murmeltierfriedhof" von massenhaft im Moränenschutt aufgestellten "Naturstelen" ging, noch zart wolkenverschleiert, die grandiose Pyramide des Weißhorns auf…

© Gisela 2005

… und wahrhaftig, westlich davon bekamen etliche von uns zum ersten Mal den schönsten steilen Zahn der Westalpen zu sehen, das Matterhorn. Oooh! Aaah!

Aber zur Sache. Erste Übung: Pickel-Eingraben, in allen Varianten von besonders sorgfältig bis absichtlich oberflächlich. Und dann: alle Mann in Deckung, Mannschaftszug am Pickel!

© Gisela 2005

Immerhin: Was halten sollte, hielt. Weniger übersichtlich ging es beim Bau der Losen Rolle zu: Das Phantom - stets politisch - vertrat grundsätzlich das Nichteinmischungsprinzip, solange keiner gefährliche Fehler machte. Ansonsten produzierten mindestens soviele Auffassungen über die jeweils richtige Stelle für Selbstsicherung, Seilsicherung, Rücklaufsperre und Reihenfolge der Handlungsschritte, als Personen mitwirkten, einen unbeschreiblichen Salat aus Seil, Prusikschnürln, Karabinern. Fazit: 1.) EINE/R führt das Kommando, 2.) Es lebe die Vielfalt, 3.) Üben am Treppengeländer daheim bis zum Automatismus wär keine schlechte Sache.

Inzwischen war Patricia auf der Hütte eingetroffen, und der Abend verging mit fröhlichem Seilschaftsbasteln: Drei kleine (Alex)? Zwei große (Hasei)? Wer mit wem? Stock oder Pickel? Ein unerschöpfliches Thema…

1. August - Alphubel (4206m)

Aufbruch, wie üblich in der Höhe, Morgengrauen, mit Stirnlampe. Es ging erstmal lange durch die Chummibodmen und über Moränenschutt den Bach entlang bis zum Gletscherrand (südlichste Zunge des Alphubelgletschers), die Rennsemmeln vorneweg, dann das Mittelfeld, zuletzt das Fußvolk (mit etwas Schwund, nicht alle hatten einen guten Tag), begleitet vom Phantom, das heldenhaft und großmütig auf alle Rekordoptionen verzichtete und die weniger schnelle Seilschaft "übernahm".

Allmählich ging die Sonne auf und versprach einen wunderschönen Tag.

© Gisela 2005

Das etwas steilere Blankeis im unteren Teil des Gletschers erwies sich als freundlich, die Steigeisen griffen gut, und auf dem Alphubeljoch - bester Firn - herrschte bereits fantastische Rundumsicht, mit Feechopf und Allalinhorn gleich "nebenan".

Auf halber Höhe der "Eisnase" saß starr ein Punkt, der sich überhaupt nicht bewegte… am Ende Probleme? Ach was, das war natürlich Alex beim Standplatzbau (rrrein mit der Eisschraube!), und richtig, bald sahen wir einen zweiten Punkt sich aufwärts bewegen.

Da es zeitlich völlig illusorisch gewesen wäre, 5 Leute da raufzusichern, entschlossen wir uns für den Normalweg, dessen Spur in großem Bogen nordwärts um den Gipfel herumführte und schließlich in recht steilen Serpentinen in westlicher Richtung aufs Gipfelplateau.

© Dohle 2005
Foto: Dohle

Hier zeigten mal wieder die nie fehlenden Diplomalpintrottel ihr Können: Einige junge Männer, die permanent über ihre Steigeisen stolperten, zogen, um ja nicht mal eine Minute warten zu müssen als Seilschaft parallel zur Spur knapp OBERHALB von uns bergab... Das Risiko, dass sie uns bei dieser Methode, den Gipfel sozusagen hinunterzusitzen, mitrissen, war nicht von Pappe.
Jetzt wurde die Luft doch recht dünn, die meisten von uns brauchten ab und zu eine kurze Atempause, aber das Phantom blieb topfit!!!

© Gisela 2005
Das Beweisfoto: Den gibs wirklich!!!

Dohles erster Viertausender! "Sack abgeholt" für Lisanne! Das Panorama schien kaum zu überbieten… vom Nordend bis zum Weißhorn, Matterhorn inmitten, wahrhaft überwältigend schön.

© Gisela 2005

Nachmittags auf der Hütte stellte sich heraus, dass die wenigsten "den Fisch" für einen "leichten Viertausender" hielten, auch die Wetterprognose war nicht berauschend. Alex + Patricia wollten unbedingt, bevor Patricias Kurzurlaub endete, versuchen, "den Fisch" zu besteigen, der Rest strich die Segel und machte sich auf den Weg zum Bergsteiger-Zeltplatz in Randa (ca. 1400m).

2.-4. August - von Sion zu den Weissmieshütten (2726m)

Dauerregen! Hasei + Lisanne reisten ab. Unser Versuch, Sion zu besichtigen, scheiterte daran, dass es Hunde und Katzen kübelte… Zwei von uns schafften es noch ins benachbarte regionalhistorische Museum, wo wir in einer Vitrine als "objet anachronistique" in einem dem traditionellen Brotbacken gewidmeten Themenraum den Sponsor wiederfanden in Gestalt eines mit typischen Verpackungen beladenen Tabletts… Ansonsten Café und frustrierte Heimfahrt zum Zeltplatz. Zum Glück gab es Hawkeyes ausgebauten Bus, in den wir und unsere Rotweinflaschen tatsächlich im besten Sardinenstil alle hineinpassten und uns blendend über Dungeons, Computersucht und Astrologie unterhielten. Auf was Dauerregen einen so alles bringt…

© Gisela 2005

Am Morgen ließ der Regen nach, aber die Temperaturen waren so frisch, als hätten wir statt August Oktober… und Christine war krank. Also Ruhetag, Wiedersehen mit Alex (nach vergeblicher Fisch-Belagerung), und am folgenden Tag - das Wetter sollte besser werden - Talwechsel und rauf zu den Startlöchern fürs Weissmies. An den Weissmieshütten war es SEHR windig, aber klar… sah gut aus.

5. August - Weissmies (4023m)

3:30 Uhr aufstehen! Und schön langsam warmlaufen die ca. 350 Höhenmeter bis Hohsaas. Die Stirnlampe konnte man bald ausschalten, so sternklar war die Nacht… Von der Bergstation aus führt eine mit hohem Maschenzaun talwärts verbarrikadierte Ski-Querverbindung zum Gletscherrand. Die Mischabelgruppe leuchtete rosig im Frühlicht, der blöde Zaun war dem Objektiv im Weg…

© Gisela 2005

…weiter links am Gletscher entlang steil aufwärts durch Firn und Geröll. Anseilen und südwärts durch eine weite flache Gletschermulde, Berni, Dohle, Hawkeye vorneweg, Alex mit Christine und mir als zweite Seilschaft hinterher, die Spur war die reinste Autobahn. Dann steiler durch den Eisbruch, über stabile Schneebrücken über die zahllosen Spalten…

© Hawkeye PBF 2005
Foto: Hawkeye PBF

…ein paar Meter blanke Steilstufe im unteren Teil erforderten Pickeleinsatz (Nordwandfeeling im Bonsaiformat *g*). Der Höhensturm blies - bei strahlendem Sonnenschein - so stark, dass oben die Schneefahnen wehten…

© Gisela 2005

… und es stellenweise mühsam war, das Gleichgewicht zu halten… na schön, das ersparte die Notwendigkeit zur Eile, denn DIE Temperaturen würden auch mittags keine Schneebrücke aufweichen.

Die Spur führte bis unter den westlichen Vorgipfel und dort (in respektvoller Distanz) den überwächteten Grat entlang bis zum eigentlichen Gipfelaufbau.

© Gisela 2005

>Der steilte wieder ganz ordentlich auf, teilweise Blankeis, von den Besteigern dieses Sommers fast durchgehend mit der reinsten Stufentreppe versehen… toller Service! Seil war hier nicht angesagt, niemand wollte einen Mitreißunfall riskieren. Und dann war Christine endlich auf ihrem ersten Viertausender! Auf der anderen Sonnenseite fand sich sogar eine windstille Pausenmulde, von der aus erstmal ausgiebig das Traumpanorama genossen wurde - Sicht bis Mailand!

© Gisela 2005

Diesmal gab es die obligatorische Alpintrottel-Show beim Abstieg. Alex - die andere Seilschaft war schon früher aufgebrochen - bestand sicherheitshalber darauf, die kleine Steilstufe im Eisbruch runterwärts zu sichern. Brav warteten wir ab, bis die Fünferseilschaft vor uns mit dem gleichen Vorhaben fertig war, dann setzte Alex seine Schrauben und ich ging als erste hinunter, dann Christine. Sie steckte noch mittendrin, als ein französisches Paar mit minimalem Seilabstand, die Schlingen in der Hand, begann, im ruppigsten Stil und teilweise über unser Seil hinweg auf Taschentuchdistanz an Christine vorbeizuzischen. Von oben brüllte Alex, von unten ich… das juckte die überhaupt nicht…

Bei der Hütte angelangt, waren wir heilfroh, dass es dort zur Abwechslung mal nicht wehte. Wir waren wahrhaftig genug durchgepustet.

6.-10. August - Klettersteige, Steinböcke, Pässe

Natürlich nutzten wir das Zwischenhoch für eine zweite Tour von diesem schönen Standort aus. Das Lagginhorn schied aus (Felskklettern mit Neuschnee schien nicht so der Hit), also ab aufs Jegihorn (3206m), ein Zwischending zwischen Felsklotz und Trümmerhaufen gegenüber den Weissmieshütten, mit einem sehr schön angelegten, durchgehend versicherten, noch ziemlich neuen Klettersteig mit unübersehbar gut markiertem Zustieg, den die Prospekte als mittelschwer-schwer klassifizieren. Da man sich jedoch nirgends 10m glatte Steilwand nur per Bizeps am Drahtseil hochziehen muss, fand niemand von uns das Teil wirklich "schwer", nicht einmal den kleinen "Messerschneidengrat" in der Scharte...

© Gisela 2005

…den man nur mit ordentlich Reibungstreten überwinden konnte… eine wirklich schöne Tour.

Es folgten Abstieg und Bezug des bewährten Basislagers auf dem Kapellenweg-Zeltplatz bei Saas Grund und ein kalter, windiger, feuchter Sonntag mit Aussicht auf Wetterbesserung in den nächsten Tagen. Da war doch noch der (oberhalb des Skigebiets-Horrors von Saas Fee sehr hübsche) "Familienklettersteig" aufs Mittaghorn (3143m), wo Berni und ich eh noch einen gut abgehangenen Sack abzuholen hatten… also hinauf!

© Gisela 2005

© Gisela 2005

Beim Abstieg übers Plattjen gab es dann noch ein "Bonbon": Beim Berghaus Plattjen stand eine Salzlecke und hatte - wie die Wirtin versicherte - zum ersten Mal seit 3 Wochen wieder "Kundschaft" in Gestalt mehrer Steinziegen mit ihren Jungen... man konnte sich kaum losreißen.

© Gisela 2005

Am Dienstag brach ein herrlich klarer Morgen an - über bereiften Zelten *bibber*! Petrus schien sich weiterhin in der Jahreszeit zu irren und lieferte statt Hochsommerwärme äußerst frische Temperaturen, mit denen allerdings das dem Herbststil entsprechende klare Licht wieder versöhnte, das bis Mittwoch einschließlich halten sollte.
Berni und Christine zog es wieder zum Klettergarten (diesmal bei Grächen), während der Rest der Truppe sich mit der mehr oder weniger weglosen Besteigung des Nollenhorns (3185m, Schotter, Blockwerk und Bergeinsamkeit ohne Ende) über dem Ostufer des Mattmark-Stausees amüsierte.

© Gisela 2005
Aussicht auf "Fisch", Allalin, Alphubel vom Nollenhorn<

© Gisela 2005
Nollenhorngipfel mit Blick aufs Stellihorn

Die letzte Tour am Mittwoch führte Berni, Christine und mich dann das Furggtal hinauf. Berni - weit voraus - kraxelte trotz Nebel aufs Latelhorn (3198m), während Christine und ich es mit dem Antronapass (2838) bewenden ließen, denn die Kombination von höchstens 10m Sicht mit noch reichlich fragmentarischer Erfahrung im weglosen Gehen war uns denn doch etwas zu heftig. Was wir nicht ahnten: 200m höher herrschte eitel Sonnenschein… wir gönnten es Berni von Herzen.

Der folgende Schlechtwettertag wurde genutzt, um schon mal einen Teil der Heimreisestrecke hinter uns zu bringen , und folgerichtig schlugen wir am frühen Abend am Campingplatz von Scuol im Unterengadin auf. Am wieder herbstklaren Freitagmorgen brachte uns - schließlich stand noch eine weite Fahrt bevor - die Seilbahn von Ftan auf die Motta Naluns (2142m) in eine Landschaft, die mal ein weitläufiges Almen- und Mattengebiet gewesen sein muss, bevor die Hänge zu endlosen Skipisten planiert wurden. Anfangs ging es recht seniorenmäßig auf Fahrwegen hinauf bis zur Chamanna de Naluns, von dort weglos weiter nach Nordwesten und schließlich über über ein endloses Schotterfeld und einen wunderschönen firngesäumten Grat …

© Gisela 2005

… hinauf auf den Piz Minschun (3068). Das großartige Silvrettapanorama zeigte, dass die Mühen des Aufstiegs sich gelohnt hatten!

© Gisela 2005

(Es gibt außer der Schuttreiße übrigens auch einen Normalweg, der von Südwesten auf den Gipfel führt und auf dem wir abstiegen.)

Und das war's!
Ein phättes Dankeschön für diese Bergferien gebührt
1.) Alex fürs Organisieren, den "Eiskurs" und die Seilschaftsführung bei den beiden Hochtouren,
2.) Hasei auch für den "Eiskurs" sowie "für den Alphubel",
3.) Dohle und Hawkeye für die selbstlose Gastfreundschaft in ihrem Bus zu Frühstück und Campingabend - was hätten wir bloß ohne euch angefangen bei der herbstlichen Kälte! Dankedankedanke fürs Zusammenrücken und den Verzicht auf Privatsphäre!

Naja, und was Bishorn, Castor, Hohlaubgrat, Zumstein und die anderen "leichten Viertausender" angeht: Die haben bekanntlich keine Beine…

Alex' tolle Fotos

© Text und - soweit nicht anders vermerkt - Fotos: Gisela

 

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