Frühlingsschnuppern auf der Alb


Schier unsichtbar duckt sich unser Zelt unter die Zweige und Äste von noch kahlem Holunder und blühndem Weißdorn. Es ist kurz nach acht. Irgendwie ist mir jetzt nach Frühstück. Die Sonne grinst von einem wolkenlosen Himmel auf uns herab, so als wollte sie uns sagen, dass sie es längst gemerkt hat, dass wir noch das Sandmännchen in den Augen haben. 


Eine Handvoll Wasser aus dem Kanister behebt diesen Mangel unverzüglich. Und da steht doch auch tatsächlich schon ein Mensch mit Kamera und Stativ vorne am Felsen. Der hatte offensichtlich lange vor uns ausgeschlafen.

Heute ist der dritte Tag unserer Frühlingsschnuppertour, der 7. Mai. Am Freitag gegen 15 Uhr sind wir in Geislingen gestartet. Das Auto haben wir am Wanderparkplatz Reußenstein abgestellt. Sonntag, also heute, wollen wir es dort wieder abholen.
Ganz kurzfristig haben wir uns entschieden. Der Wetterbericht war gut, kein Termin im Kalender und im Herzen jede Menge Lust loszuziehen: endlich trocknet der Landstraße Saum … Es ist jedes Jahr das Gleiche: wenn es Frühling wird und die Bäume grün werden, die Sonne angenehm wärmt, dann kann man einfach nicht mehr daheim rumsitzen. Vom Reußenstein sind es nur wenige Meter bis zum Bahnhöfle und von da aus wiederum nur eine gute Stunde bis zum Harprechtshaus der Sektion Schwaben bei Schopfloch. 



Nach dem langen Winter muss ich mich erst wieder an das Drücken eines schweren Rucksacks auf den Schultern gewöhnen. Heute ist zwar mit der Hüttenübernachtung noch Luxusleben angesagt, aber für den Rest des Wochenendes haben wir alles was wir zum Schlafen, Essen und Trinken brauchen, auf dem Rücken. Ich geb’s ja zu, mein Rucksack ist ein Bissle leichter, aber dafür trag ich auch die nicht unerhebliche Verantwortung der Tourenführung über Teile unserer wilden zerklüftete Albhochfläche. 

Die Gaststube ist gut besetzt. Im Nebenzimmer steigt eine Familienfeier mit Gesang und Gedichten. Wir stillen Hunger und Durst, trinken noch ein Viertele zur Guten Nacht und machen uns unter die Decke.

Am anderen morgen brauchen wir keinen Wecker. Die Vögel aus dem nahen Wald trällern uns ihr Morgenlied und erinnern uns daran, dass wir heute noch weiter wollen. Nach einem ausgiebigen Frühstück packen wir wieder unsere Rucksäcke und marschieren los. Heute drücken die Riemen noch etwas mehr. Angesichts der zu erwartenden Temperaturen haben wir reichlich Wasser gebunkert und das wiegt weit schwerer als es gut schmeckt. 

Der Weg führt uns durch Schopfloch hindurch in Richtung der Gutenberger Höhlen. Irgendwann kommen wir wieder aus dem Wald heraus und nach einem weiteren kurzen Wegstück, sehen wir schon die „Torfgrube“, das Moor beim Otto-Hoffmeister-Haus. Auf den Äckern recken sich schon die ersten grünen Getreidegräser heraus. Am Waldrand blüht üppig der Weißdorn Er bietet einen schöner Kontrast zu dem frischen Grün der teilweise schon Blätter tragenden Laubbäume oder dem satten Dunkelgrün der Fichten. Dazwischen immer wieder wilde Kirschbäume die leuchtend in voller Blüte stehen. Veilchen, Lungenkraut und Frühlingsanemone künden vom Frühling. 


Unser Weg, ein vorbildlich markierter Albvereinsweg geht bis Ochsenwang. Vorher aber bezwingen wir den höchsten Punkt, den Buckel des Wasserhochbehälters. Drüben auf dem Breitenstein, so befürchten wir, würde sicher viel los sein. Deswegen machten wir es uns hier in der „Einsamkeit“ gemütlich, kochen uns Cappuccino und verspeisen unsere für die Mittagsbrotzeit vorgesehenen Leckereien. Dies im sicheren Wissen, dass jede Mahlzeit den Rucksack merklich erleichtern würde. 

Als wir am Spätnachmittag am Breitenstein ankommen sehen wir an der Masse der Autos, dass es hier tatsächlich nur so von Sonnen- und Frischlufthungrigen wuselt. Gemächlich schlendern wir über das Plateau und halten schon mal nach einem diskreten Plätzchen für unser Zelt Ausschau. Als die Entscheidung gefallen ist, genießen wir erst mal die Aussicht übers Albvorland. 



Allzu weit geht die Sicht nicht. Aber man kann nicht alles haben und Dunst ist heute der Preis für anhaltend schönes Wetter. Es geht langsam auf zwanzig Uhr zu. Längst haben wir die warmen Windstopper an- und die Mütze über die Ohren gezogen. Es pfeift ein kühles Lüftchen von Bissingen herauf. Ich bin recht froh an meiner Isomatte, weil ich damit nicht nur weich sondern auch warm auf dem felsigen Untergrund zu sitzen komme. Kein richtiges Rotweinwetter mehr! Aber aus Rotwein, Wasser, Teebeutel und Glühweingewürz lässt sich ein herrlich wärmendes und erheiterndes Getränk brauen.


Die Dämmerung kommt schnell und wir beeilen uns, unser Zelt aufzubauen. Für die letzten Handgriffe und Verspannungen brauchen wir dann auch tatsächlich noch Stirnlampen. Ganz schön aufregend! Am Morgen wollen wir schnell wieder abbauen und es wird nichts geben, das verrät, dass wir hier waren. Als unser Himmelbett fertig ist setzen wir uns noch eine ganze Zeit an die Felskante. Die Straßenlampen der nahen Dörfer blinken heimelig zu uns herauf. Alle Geräusche sind durch die Ferne gedämpft und die verrückte Welt unter uns schiene ungemein friedlich, wären da nicht die Scheinwerfer der vielen Autos und der Lärm der LKWs auf der nahen A8. Etwas pfeift uns um die Ohren; vermutlich ein Fledermäuschen. Als dann die Augen vom vielen Schauen, dem guten Vesper und unserem wärmenden Getränk immer schwerer werden, kriechen wir in unsere Schlaftüte und kuscheln uns in den Schlafsack.
Bild: am Morgen

Der frühe Fotograf schaut misstrauisch auf unser Tun. Aber bis er seine Kamera samt Stativ aufgebaut hat, ist unser Zelt schon im Packsack verschwunden und wir machen uns auf die Suche nach einem Frühstücksplätzchen. Den Zustand der Grillplätze will ich hier nicht beschreiben: er war schlicht unbeschreiblich. Auf schwäbisch: eine richtige Riesensauerei! Wir suchen uns den ordentlichsten aus, säubern den Tisch und strengen uns an, all den Dreck und Müll zu übersehen. 


Wir wollen diesen Morgen in der frischen, klaren Luft genießen, die Ruhe und – na ja – mit Einsamkeit war’s halt wieder nix. In Ochsenwang scheint jeder Haushalt einen Hund zu haben, der am Morgen ausgeführt werden muss. Aber wir haben fest vor uns durch nix verdrießen zu lassen und genießen unsere kulinarischen Rucksackköstlichkeiten. 

Unser nächstes Ziel ist der Auchtert. Die in großer Zahl der jetzt auftauchenden Spatziergänger und Wanderer bestaunen uns und unsere großen Rucksäcke recht ungläubig. Wenn die wüssten, dass wir verbotener Weise … uiuiui. Als wir Richtung Mörikefels abzweigen werden die Menschen deutlich weniger, aber am Salzmannstein und am Randecker Mar wimmelt es wieder von Wandersleuten. 


Weil unser Flüssigkeitsvorrat inzwischen schon deutlich zusammengeschmolzen ist, nehmen wir gerne das Angebot des Biobauernhofs war und setzen uns nieder. Der Frischkäse mit Knoblauch angereichert, sehr lecker! Satt und zufrieden machen wir uns auf die letzte Etappe. Wir haben nur noch einen Hügel zu erklimmen, bevor es dann in Richtung Heimenstein und Bahnhöfle geht. 


Auf der Bank vor der Hütte der Waldarbeiter machen wir noch eine kurze Rast und verabschieden uns vom kühlen, stillen Wald. Am Bahnhöfle wird’s nämlich wieder richtig lebendig. 

Voll schöner Eindrücke und den Frühling im Handgepäck, verladen wir unsere Rucksäcke im Auto und machen uns auf den Heimweg. Biwak auf unserer heimischen Alb – ich hätte es nicht für möglich gehalten. 
Sicher wird mancher sagen, die Tour hätte man an einem Tag bewältigen können. Nur, den Frühling kann man dann nicht schnuppern! Der fliegt da ruckzuck vorbei und kein Deut von: … träumend schaun wir aus dem Zelt, in der Berge Wunderwelt wird die Zeit nicht lang … ist zu erkennen. Zum Frühlingsschnuppern braucht es Zeit!

Zum Sommerschnuppern wollen wir in die Berge. Der Hochvogel im Licht der aufgehenden Sonne ist auch nicht zu verachten, die Bergeinsamkeit noch viel weniger. Dann wird Weißweinwetter sein. Der läßt sich im Frühsommerschnee wunderbar auf Idealtemperatur halten.

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